Bernd Wettlaufer ist Bäckermeister aus Leidenschaft. Der 57-Jährige übt den Beruf des Bäckers bereits seit seinem 16. Lebensjahr aus und ist in der fünften Generation als selbstständiger Bäckermeister unterwegs. Seit 2017 ist er zudem Brot-Sommelier und bringt so das Lebensmittel Brot noch mehr Menschen nahe. Er ist Inhaber der Bäckerei Schmidt sowie der Rockenbäcker GmbH, die ein breit gefächertes Konzept inklusive Konditorei und Café beheimatet. Hinzu kommen Brotkulturläden mit einem Schwerpunkt auf Brotkompetenz und Brotvielfalt. Hohe handwerkliche Qualität und das Backen mit der wichtigsten „Zutat“ Zeit sind für ihn und seinen Sohn Fabio Wettlaufer wichtige Faktoren in der täglichen Arbeit.

Wir sprachen mit dem Rockenbäcker und Brottüftler Bernd Wettlaufer über den Einsatz von Urgetreiden in seinen Brot- und Backwaren. Wofür sie zum Einsatz kommen, wie die Kunden darauf reagiert haben und was geschmacklich am besten zum Emmerbrot passt, hat er uns im Interview verraten.

Emmerbrote aus der Herstellung der Rockenbäcker.

Herr Wettlaufer, was ist Ihnen als Bäckermeister besonders wichtig bei der Herstellung Ihrer Brot- und Backwaren?
Unser Motto ist „Wir geben dem Brot die Seele zurück“ – dabei sollen die Menschen genießen und schlemmen, ohne schlechtes Gewissen. In unserer Bäckerei steht deshalb eine große Vielfalt an gesunden Backwaren zur Auswahl, die allesamt Genuss bieten. Denn wir als Handwerksbäcker sind keine Versorger mehr, sondern Genusshandwerker. Deshalb liegen mir puristische Zutaten und die traditionelle Herstellung mit Sauerteigen, Vorteigen und Poolish etc. sowie der Verzicht auf Zusatzstoffe sehr am Herzen. Für eine natürliche Frischhaltung setzen wir in unserer Backstube unter anderem auf Apfelfasern, Kartoffelflocken sowie Koch- und Quellstücke. Eine gute Bekömmlichkeit der Backware erhalten wir durch eine lange Teigführung und Zeit – das ist die wichtigste Zutat. Hinzu kommt das Backen mit Urgetreidesorten wie Emmer, Dinkel, Einkorn oder Gerste.

 

Woher nehmen Sie immer wieder Ideen für neue Backwaren?
Meine ganze Familie ist brotverrückt: Mein Sohn Fabio Wettlaufer, auch Bäckermeister, und ich brennen für Brot und sind wahre Brottüftler. Wir probieren immer wieder Neues aus. Zudem haben wir tolle, innovative Mitarbeiter, die uns tragen. Ebenso sind wir mit vielen Kollegen vernetzt, sodass ein reger Gedankenaustausch stattfindet. Fachpresse, Bücher und Internetgruppen rund ums Backen und Messebesuche sind ebenso Pflicht.

 

Seit wann setzen Sie Urgetreide für Ihre Gebäcke ein?
Mit Bio-Dinkel habe ich schon 1984 erste Backversuche für ein Brot gemacht. Mit den weiteren Urgetreidesorten gelang uns vor zwei Jahren der erfolgreiche Marktauftritt. Heute fertigen wir Brot, Brötchen, Hefeteige, Rührkuchen und Vollkornstollen mit Cranberrys aus verschiedenen Urkörnern.

Emmerbrote vom Rockenbäcker Bernd Wettlaufer.

Wie sind Sie auf Urgetreide aufmerksam geworden?
Berichte über die Aussaat alter, vergessener Getreidearten und historische Brotfunde in Bad Nauheim bzw. Berichte über „Salinen-Brot“ aus der Keltenzeit haben mich auf Urgetreide aufmerksam gemacht. Bei Letzterem handelt es sich um ein Emmerbrot, das von Sklaven gebacken wurde, die in der Wetterau in Salinen arbeiteten.

 

Was ist für Sie das Spannende daran?
Aus diesen alten Getreidesorten ein modernes, gut verträgliches und schmackhaftes Brot zu backen und meine Kunden zu begeistern, ist für mich das Spannende daran.

 

Wie sahen Ihre ersten Backversuche mit Urgetreide aus?
Die Backware hatte keine gute Qualität und würde den heutigen Kundenanforderungen nicht genügen – trocken und hart wie ein Bierdeckel. Erst durch verschiedene, dem Handwerksbäcker mögliche Kniffe und Verfahren wie den Einsatz von Kochstücken und Vorteigen etc. gelang es uns, qualitativ gute und schmackhafte Backwaren auf Basis von Urgetreiden herzustellen.

 

Wie lassen sich die Urgetreide verarbeiten?
Es gehört eine gewisse Erfahrung dazu, um mit Urgetreiden zu backen. Wenn man aber alle technologischen Parameter einhält (Kochstücke, Vorteige etc.), ist es sehr leicht, mit puristischen Zutaten und ohne Backmittel ein ursprüngliches und trotzdem modernes, leckeres, gesundes Ur-Brot zu backen.

Herstellung eines Kochstücks für Emmerbrote.

Herstellung eines Kochstücks.

Haben Sie einen Profitipp für den Umgang mit Emmermehl, der auch in der heimischen Backstube berücksichtigt werden kann?
Bei der Herstellung des Teiges nicht zu intensiv kneten. Lange Teigführung (Zeit) ist die wichtigste Zutat: So ergibt sich ein stabiler Teig und daraus später ein Brot mit saftiger Krume und einer röschen Kruste. Um die Aromen gut herauszukitzeln und eine gute Teigstabilität zu erzeugen, ist die Zugabe von Joghurt vorteilhaft.

 

Wie lange tüfteln Sie an der perfekten Rezeptur?
Ich tüftele so lange an der Rezeptur, bis es klappt. Bis die Backware dann aber perfekt ist, dauert es noch. Das ist ein dynamischer Prozess, denn wir probieren verschiedene Varianten von Aromen durch die Zugabe von Gewürzen und Kräutern aus. Zudem müssen die Fermentation und der Backprozess stets optimiert werden.

 

Für welche Brot- und Backwaren kommt Emmer in Ihrer Backstube zum Einsatz?
Wir haben ein 100-prozentiges Urgetreidebrot aus Dinkel, Emmer und Einkorn. Darüber hinaus gibt es Emmerchen, dahinter verbergen sich Emmerbrötchen, die nussig und kräftig im Geschmack sind. Ein kompaktes Brötchen, das sehr aromatisch und einfach lecker schmeckt.

Generell verwenden wir verschiedene Urgetreidesorten – von Dinkel und Emmer über Einkorn und Gerste bis hin zu Durum-Hartweizen und Waldstaudenroggen. Bei der Brotherstellung kommen bei uns all diese Urgetreidesorten zum Einsatz. Dinkel und Emmer nutzen wir darüber hinaus auch für Feine Backwaren sowie Hefeteige, Hefezöpfe und Rührkuchen.

 

Inwieweit musste in puncto Urgetreiden „Aufklärungsarbeit“ geleistet werden?
Urgetreide waren bzw. sind bei den Verbrauchern (noch) unbekannt, daher stellen wir Kunden die noch unbekannte Getreideart vor und bringen ihnen auch die Gründe, warum wir auf Urgetreide setzen, näher. Den Mehrwert und die ernährungsphysiologischen Aspekte von Urgetreiden zu kommunizieren, hilft, um es den Verbrauchern im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft zu machen. Zur Unterstützung bieten wir hier Kostproben von Ur-Broten mit beispielsweise Käse und Wurst an.
Unsere Kunden sind sehr interessiert und genussbegeistert: Urgetreide hat Mehrwert. Die Käuferklientel ist bunt gemischt – ob Foodies, genuss- und ernährungsbewusste Verbraucher, ob Allergiker, Brotfreunde und neugierige Personen oder Menschen, denen der Wert eines guten Brotes wichtig ist.

Bäckermeister Fabio Wettlaufer, Sohn von Bernd Wettlaufer, greift nach einem Emmerbrot.

Bäckermeister Fabio Wettlaufer

Inwiefern wollen Sie das Angebot an Brot- und Backwaren aus Urgetreiden in Zukunft noch ausweiten oder verändern? Haben Sie schon konkrete Pläne?
Die Nachfrage nach Urgetreideprodukten steigt. Ich denke, es besteht eine gute Chance für Handwerksbäcker, mit diesen puristischen Spezialbackwaren zu punkten. Die Menschen sehnen sich nach Entschleunigung und dem Ursprünglichen. Wir werden hier versuchen, noch tiefer in die Materie einzusteigen. Aktuell beträgt der Anteil von Urgetreidebackwaren etwa 20 Prozent des Gesamtsortiments.

 

Wieso haben Sie sich neben Ihrem Beruf für die Ausbildung zum Brot-Sommelier entschieden?
Ich bin einfach positiv brotverrückt und sehe mich gerne in der Position eines Brotbotschafters für das „Deutsche Kulturgut Brot“. Ich verbinde Brot mit Emotion, Leidenschaft und Bildern; „wir Rockenbäcker retten die Seele des Brotes“. Durch die Ausbildung zum Brot-Sommelier bin ich in der Lage, mithilfe der Weinheimer Brotsprache Genuss mit Brot zu beschreiben, sodass jedem das Wasser im Mund zusammenläuft.

 

Wie würden Sie den Geschmack von Emmer in Backwaren beschreiben? Mit welchen anderen Lebensmitteln und Getränken harmoniert Emmergebäck besonders gut?
Der Geschmack von Emmer ist intensiv und aromatisch, mit einer leicht nussigen Note. Beim Kauen und im Abgang haben Emmerbackwaren einen leicht süßlichen, buttrigen Nachhall.

Egal, ob herzhaft-kräftig oder süß – Emmergebäck lässt sich vielfältig kombinieren. Ein Frischkäse mit leichter Säure hebt die Aromen gut heraus. Auch ein Riesling, ein Wein mit leichter Säure, und Camembert sind eine gute Kombination oder ein herzhafter, rauchiger Schwarzwälder Schinken, der toll mit den kräftigen Röstnoten der Emmerbrotkruste und der leicht nussigen Krume harmoniert; dazu ein herzhaftes Tegernsee-Bierchen. Für die „Sporties“ wird das Emmerbrot zusammen mit Guacamole, ergänzt um Molke als Getränk, ein Gaumenschmaus.

Wenn es eher um den süßen Bereich geht, ist unser Emmer-Vollkornkuchen mit Birnen und einer Kürbiskernbienenstichkruste ein super Tipp.

Danke für das Gespräch!

 

Wer jetzt Lust bekommen hat, mit Emmermehl zu backen, kann ja mal unser Rezept für Emmer-Focaccia ausprobieren oder in unserem Rezept-Blog stöbern.