Von A wie Alexia, eine Ackerbohne, über M wie Mosso, ein Mais, bis hin zu Y wie Yukon, ein Sommerhafer – hält die I.G. Pflanzenzucht mit Sitz in Ismaning ein umfangreiches Portfolio an Saatgut parat. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass das Unternehmen sich bereits seit über 90 Jahren dem Vertrieb von landwirtschaftlichen Kulturarten in Deutschland widmet. Unter den etwa 120 Sorten befinden sich verschiedene Arten an Getreide, Mais und Leguminosen.

Welche Ziele die I.G. Pflanzenzucht mit ihrer Tätigkeit verfolgt, was das mit dem Anbau von Emmer zu tun hat und welche Rolle die Saatgutzüchtung dabei spielt, hat uns Franz Beutl, Geschäftsführer der I.G. Pflanzenzucht, im Interview verraten.

Herr Beutl, wofür steht die I.G. Pflanzenzucht und was sind die Hauptziele ihres Wirkens?

Die I.G. Pflanzenzucht gibt es bereits seit über 90 Jahren; sie war die erste Vertriebsorganisation ihrer Art und wurde 1927 von damals sechs bayerischen Gesellschaftern gegründet. Ihr Beweggrund war damals, ihre Sorten auch außerhalb Bayerns vertreiben zu können. Da sie alle noch über die BayWa organisiert waren, bestand ein regionaler Gebietsschutz in den Genossenschaften. Zudem war die Züchtung auch damals schon eine relativ teure Angelegenheit. Diesen beiden Aspekten begegnete man durch die Gründung der I.G.

Die Interessengemeinschaft stellt quasi einen verlängerten Arm für die Züchter im Markt dar und sorgt dafür, dass die Sorten der mittlerweile elf Gesellschafter im In- und Ausland vertrieben werden. Die Züchtung und der Vertrieb sind demnach klar geregelt: die Gesellschafter sind verantwortlich für die Saatgutzüchtung und die I.G. für den Sortenvertrieb. Der Vorteil ist: Es muss nicht jeder Züchter ein eigenes Vertriebsteam unterhalten.

Wie viele Getreidesorten vertreiben Sie aktuell?

Insgesamt vertreiben wir aktuell um die 120 Sorten an landwirtschaftlichen Kulturarten, darunter sind etwa 70 Getreidesorten, 30 Maissorten und 20 Leguminosen wie Ackerbohnen, Erbsen, Lupinen und Sojabohnen vertreten. 20 Prozent der Sorten machen dabei in etwa 80 Prozent der Erträge aus.

Wann haben Sie Urgetreidesorten in Ihr Portfolio mit aufgenommen und warum?

Unser Gesellschafter, die Pflanzenzucht Oberlimpurg, widmet sich schon seit einer geraumen Zeit den Urgetreiden Dinkel und Emmer . Mit der steigenden Nachfrage nach Dinkelsaatgut, einer intensiveren Wettbewerbssituation und höheren Anforderungen an den Vertrieb, haben wir den Vertrieb von Dinkelsorten von der Pflanzenzucht Oberlimpurg, die den Vertrieb bis dahin in Eigenregie organisierte, übernommen und professionalisiert – dies war im Jahr 2013. Der Markteinstieg war dank der bekannten Sorte Franckenkorn gut vorbereitet. Emmersorten haben wir hingegen seit etwa drei Jahren im Sortiment.

Wie hoch ist der Anteil an Urgetreiden am Gesamtportfolio?

Die Anzahl an Urgetreidesorten im gesamten Sortiment ist relativ gering. Insgesamt führen wir vier Sorten Dinkel und drei Sorten Emmer. Im Falle des Emmers sind es ein weißer, ein roter und ein schwarzer Emmer mit den Namen Heuholzer Kolben, Roter Heidfelder und Ramses, die alle von der Pflanzenzucht Oberlimpurg bereitgestellt werden.

Die Anbauflächen der Urgetreidesorten sind insbesondere im Vergleich zum Weizen, den wir in Deutschland auf geschätzt drei Millionen Hektar anbauen, relativ gering. Der Dinkel hat sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt und sein Nischendasein verlassen. Die Anbaufläche von etwa 100.000 Hektar ist sehr ansehnlich und stabil. Die Anbaufläche vom Emmer schätzen wir dagegen auf etwa lediglich 1.000 bis 2.000 Hektar.

Wie unterscheiden sich Heuholzer Kolben, Roter Heidfelder und Schwarzer Ramses voneinander?

Schon allein farblich gibt es natürlich einen Unterschied zwischen den Sorten, aber auch agronomische Unterschiede liegen bei den Sorten vor. Der Rote Heidfelder ist beispielsweise eine jüngere Sorte, die in der Züchtung auch schon etwas weiterentwickelt wurde – so ist sie z.B. etwas gesünder und wesentlich standfester als der Ramses. Durch die bessere Standfähigkeit ist der Anbau des Heidfelders sicherer und somit auch der Ertrag etwas höher.

Züchtung von Saatgut hilft dabei, Getreide wie den Emmer zu erhalten.

Was gilt es beim Anbau der verschiedenen Emmersorten zu beachten?

Im letzten Jahrhundert wurde nur wenig züchterische Arbeit in puncto Emmer im Vergleich zu anderen Getreidearten geleistet, er hat sich in Nischen über die letzten Jahrzehnte erhalten und findet seit geraumer Zeit wieder mehr Beachtung. Aufgrund der geringen züchterischen Bearbeitung des Urgetreides muss man im Anbau anders vorgehen als beispielsweise beim Weizen, der an moderne Produktionsformen angepasst wurde. Da Emmer weniger standfest ist, braucht er weniger Düngung. Zu viel Stickstoff im Boden würde dazu führen, dass der Emmer zu stark und zu hoch wächst und die Halme umknicken. Lager würde wiederum zu einem geringeren Ertrag führen, da umgeknickte Halme die Ernte erschweren. Eine extensive Führung auf kargen Böden ist demnach die richtige Wahl für die verschiedenen Emmersorten.

Sie sprachen davon, dass Emmer züchterisch noch nicht viel bearbeitet wurde. Seit wann findet Züchtung beim Emmer statt?

Wenn man ehrlich ist, ist der Begriff „Urgetreide“ eine romantische Bezeichnung, denn es wurde schon immer gezüchtet. Auch die alten Ägypter und Sumerer haben schon mit diesen alten Kulturarten gearbeitet und sich dabei bemüht, die ertragssicheren und robusteren Sorten herauszufinden. Allerdings hatten sie damals natürlich nicht die Möglichkeiten, die wir heute haben. Züchtung heute ist ganz anders und sehr langwierig zu sehen.

Was bedeutet langwierig in diesem Zusammenhang?

Getreide ist ein sogenannter Selbstbefruchter. Um eine neue Sorte mit neu kombinierten Eigenschaften zu erhalten, müssen zwei Eltern miteinander verkreuzt werden. Die Aufspaltung der zufällig miteinander rekombinierten Gene erfolgt nach den Mendelschen Gesetzen.

Wenn man in Form der sogenannten Kreuzungszüchtung vorgeht, dauert es beispielsweise zehn bis zwölf Jahre, bis eine neue Sorte zugelassen werden kann. Das hat etwas damit zu tun, das man aus den jeweiligen Getreidegenerationen immer wieder stark ausselektieren muss. Etwa 80 bis 90 Prozent der Nachkommen werden pro Generation aussortiert – das ist ein langer Prozess. Die Selektion erfolgt je nach Erfüllung der Zuchtziele, das können z.B. Ertrag, Backqualität oder Resistenzen sein. Gleichzeitig erhöht sich in dieser Zeit der Homozytogotiegrad, d.h. die Nachkommenschaft wird durch die Selbstbefruchtung reinerbig, gleichmäßig, einheitlich und stabil.

Durch Kreuzungszüchtung erhöht sich die Auswahl an Eigenschaften, die man selektieren kann. In der sogenannten Auslesezüchtung, die im Altertum praktiziert wurde, wählt man aus vorhandenen, festgelegten Populationen die Typen aus, die einem am schönsten erscheinen. Veränderungen gibt es dann nur durch umweltbedingt ausgelöste Mutationen.

Wie muss man sich die Saatgutzüchtung konkret vorstellen?

Um die emmertypischen Eigenschaften zu erhalten, kreuzt man zwei Emmersorten miteinander und versucht so, eine möglichst breite genetische Variabilität zu erhalten. Dabei kreuzt man Sorten, die die Eigenschaften besitzen, die man gerne in einer Sorte vereinen möchte, z.B. eine ertragsstarke Sorte mit einer winterharten Sorte. Gemäß den Mendelschen Regeln erhält man dann unterschiedlichste Nachkommen, die durch die zufällige Rekombination der Gene entstanden sind. Heraus kommen dabei beispielsweise eine Sorte, die nur winterhart ist, und eine andere, die beide Attribute vereint, aber kränker als die Eltern-Sorten sind. Oder auch eine, die ertragsstark und winterhart ist.

Und dann kann die entsprechende Sorte zugelassen werden?

Bei den meisten Getreidearten ist es so: Bevor eine Sorte vertriebsfähig ist, muss sie amtlich zugelassen werden. Das Bundessortenamt ist dafür zuständig. Voraussetzung für die Sortenzulassung sind Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit und der sogenannte Landeskulturelle Wert. Letzterer ist gewährleistet, wenn eine Sorte in der Gesamtheit ihrer Eigenschaften eine deutliche Verbesserung für die Verwendung erwarten lässt. Dieser Landeskulturelle Wert wird anhand von mehrjährigen Prüfungen im Vergleich zu bereits zugelassenen Sorten ermittelt. Bei Weizen werden von ca. jährlich 130 angemeldeten Genotypen ca. acht bis 15 neue Sorten pro Jahr zugelassen. Die Auswahl ist also sehr streng.

Emmer war bisher als eigene Kulturart zu klein, um dieses Verfahren mitmachen zu müssen. Die ändert sich aber wegen der zunehmenden Bedeutung von Emmer gerade. Um eine Emmersorte schützen zu können, hat es (bislang) ausgereicht, wenn sie unterscheidbar, homogen und beständig war. Die agronomische Sortenleistung war nicht maßgeblich.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft in puncto Emmer?

Wir freuen uns, wenn noch mehr Landwirte den Emmer für sich entdecken und diesen anbauen. Dadurch wird es möglich, das Urgetreide noch mehr Menschen zur Verfügung stellen zu können, entweder indem sie selbst Emmer-Produkte beziehen und damit kochen und backen, oder indem sie bei ihrem Bäcker Emmer-Backwaren kaufen. Weitere Züchtungsanstrengungen werden auch den Anbau für den Landwirt attraktiver machen.

Danke für das Gespräch!

 

Franz Beutl, Geschäftsführer der I.G. Pflanzenzucht, im Gespräch über die Züchtung von Saatgut.Zum Interviewpartner:

Franz Beutl ist seit 2010 Geschäftsführer der I.G. Pflanzenzucht mit Sitz in Ismaning. Nach seinem Studium in Agrarwissenschaften an der Universität Hohenheim, in dem er sich bereits verstärkt mit der Thematik der Saatgutzüchtung beschäftigte, kam er 1993, also vor 25 Jahren, zur I.G. Pflanzenzucht. Zunächst war er für die Auslandsaktivitäten zuständig und übernahm dann die Vertriebsleitung. Seit 2010 ist er als Geschäftsführer tätig, seit vier Jahren ebenfalls als Geschäftsführer für die Tochterfirma I.G.P. Polska.